Gaia-X: Jetzt ist unternehmerischer Einsatz gefragt!

Gaia-X tritt gerade in eine kritische Phase: Die Förderprojekte haben Halbzeit, in nicht einmal zwei Jahren wollen sie einsatzfähige Lösungen präsentieren. Zeitgleich schalten wir bei der Arbeit am Code für die Gaia-X Federation Services von Auftragsfertigung auf Community-Wachstum um. Jetzt entscheidet sich, wie ernst es Europas Unternehmen ist mit digitaler Souveränität und wirtschaftlichen Chancen in der Datenökonomie. Ein Mutmacher.

Importweltmeister für Innovation

Ehrgeizige Tech-Projekte sind für uns bei eco und EuroCloud nichts Neues. Seit Jahrzehnten werben, netzwerken und streiten wir dafür, eigene digitale Infrastrukturen in Europa aufzubauen und nach unseren Bedürfnissen zu gestalten. Gaia-X aber steht für eine neue Qualität: Mit der Initiative für ein gemeinsames europäisches Datenökosystem lehnen wir uns auf diesem Kontinent ganz schön aus dem Fenster. Und glauben Sie mir, daran erinnert man uns jeden Tag.

Aus dem Rahmen fällt dieses Vorhaben in erster Linie nicht (nur) wegen der Technik oder seiner Komplexität, sondern mit seiner Haltung.

Seien wir ehrlich: Wir Europäer:innen waren bei den wichtigen digitalen Innovationen vor allem Konsumenten. Das Meiste erfanden die Unternehmer:innen im Silicon Valley und sie waren es auch, die als begnadete Unternehmer:innen marktfähige Produkte aus unserer Grundlagenforschung (MPEG) machten. Und wir? Wir importierten Innovation, hoben und senkten unseren Daumen bei neuen Produkten.

Wir waren Kunden, keine Pioniere.

Nun zahlen wir den Preis für unsere Bequemlichkeit und müssen feststellen, dass eine kleine Gruppe ausländischer Plattformen den hiesigen Markt dominiert und ihm ihre Regeln aufzwingt. Unsere Unternehmen setzen sich einem Geschäftsrisiko aus, wenn sie ihre Daten und die ihrer Kunden auf Systemen speichern, die nicht durch unsere Gesetze geschützt sind. Und wir ahnen, dass unser Wohlstand in der kommenden Datenökonomie viel zu sehr von der Kreativität und der unternehmerischen Initiative anderer Länder abhängt.

Mich überrascht nicht der Befund, aber der Schluss, den viele von uns daraus ziehen: Sie glauben, dass wir ohnehin keine Chance mehr haben.

Gaia-X geht vom Gegenteil aus.

Damit wären wir bei der Haltung, die ein Vorhaben wie Gaia-X voraussetzt. Wir verlangen digitale Souveränität, also die Macht, selbst darüber zu bestimmen, was mit unseren Daten passiert. Wir wünschen uns fairen Wettbewerb und mehr Innovation auch in den Nischen bei der Wertschöpfung aus Daten. Wir wollen, dass auch kleine und mittelständische Unternehmen aus Europa im Datenzeitalter prosperieren. Zugleich erwarten wir, dass uns die nötigen Mittel, um diese Ziele zu erreichen, gebrauchsfertig vorgelegt werden. Gewissermaßen als Change as a Service.

Großes Vertrauen in Gaia-X …

Diesen Widerspruch spiegeln auch die Ergebnisse unserer Umfrage zu Gaia-X wider: Fast zwei Drittel der befragten Unternehmen, von denen die meisten schon mit Gaia-X zu tun hatten, setzen großes Vertrauen in die Initiative und ihre Fähigkeit für einen vertrauensvollen Datenaustausch in Europa zu sorgen. Sie loben die Chancengleichheit, mit der sich Mittelstand und Konzerne gleichermaßen bei Gaia-X engagieren. Keine Kleinigkeit in einem Markt, in dem bis heute schiere Größe, schnelles Wachstum und technische Abhängigkeit Monopolgewinne garantieren.

… aber zu wenig Zutrauen zu uns selbst?

Allerdings kritisieren in derselben Umfrage noch mehr Befragte, dass Produkte und Dienste zu Gaia-X noch nicht marktfähig, also ausgereift, seien. Sie vermissen ein höheres Wachstumstempo bei Projekten und Community. Und nicht einmal die Hälfte vermag einen wirtschaftlichen Mehrwert der Initiative zu erkennen, ein Viertel sieht überhaupt keinen, ein weiteres Viertel ist unschlüssig.

Mit dieser Erwartung wurden wir auch konfrontiert, als wir das Framework für die Gaia-X Federation Services (GXFS) vorstellten. Was als Code-Basis für Eigenentwicklungen, also als Starthilfe, beauftragt und gedacht war, sollte idealerweise gleich als fertiges Produkt konsumierbar sein. In Kürze übergeben wir das GXFS-Framework an die Eclipse Foundation, die renommierte und führende Open-Source-Plattform mit Sitz in Brüssel, auf der Gemeinschaften von Unternehmen und Entwicklern quelloffene Softwareprojekte entwickeln und pflegen. Dort werden die GXFS fortan aus markenrechtlichen Gründen unter dem Titel Cross Federation Service Componentns (XFSC) geführt. Ab jetzt hängen Wachstumstempo, technische Innovationen und wirtschaftliche Chancen also nicht mehr von staatlichem Fördergeld ab, sondern von den Unternehmen selbst. Der Erfolg steht und fällt mit der Community.

Wir vom deutschen GXFS-Projektbüro unter Leitung des eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. werden unsere ganze Arbeit auf die Unterstützung der Community ausrichten. Wenn wir uns eine digitalisierte Wirtschaft nach unseren Bedingungen wünschen, wird niemand anderes sie für uns aufbauen. Wir müssen da selbst ran. Alle anderen wollen uns nur ihre Produkte verkaufen, und das ist ihr gutes Recht. Datenbasierte Geschäftsmodelle und technische Innovation fallen nicht vom Himmel.

Anders als beim Start der Initiative 2019, als die meisten Gaia-X als EU-Hyperscaler belächelt und missverstanden haben, sind jetzt alle Voraussetzungen geschaffen, um die Idee eines europäischen Daten-Ökosystems auf die Straße zu bringen – bis auf eine letzte:

mehr Selbstvertrauen!

Dass das möglich ist, zeigt zum Beispiel das Gaia-X Leuchtturmprojekt Catena-X. Catena-X ist das erste funktionale Gaia-X Ökosystem, das sich im Startbetrieb befindet und kontinuierlich wachsen wird. Solche Vorreiter braucht es, um die Community zu begeistern und Wege aufzuzeigen.


Andreas Weiss & Thomas Sprenger


Jeden Monat auf LinkedIn und www.gxfs.eu

Hier auf LinkedIn sowie auf www.gxfs.eu führen wir Sie jeden Monat durch die Welt von Gaia-X. Unsere Analysen und Interviews präsentieren ihnen Hintergründe und Einblicke, wie eine europäische Initiative und ihre Mitstreiter ein Ökosystem für die Wertschöpfung aus Daten schaffen wollen.

Kopf dieser Artikelreihe ist Andreas Weiss. Als Leiter für digitale Geschäftsmodelle bei eco sowie als Direktor von EuroCloud Deutschland_eco ist Andreas Weiss bestens mit der Internet- und Cloud-Industrie in Europa vernetzt und vertraut. Seine Erfahrungen bringt er in die Gaia-X Federation Services (GXFS) ein, dessen Projekteams für die Entwicklung der Gaia-X-Kerntechnologien verantwortlich sind. Unter Federführung des eco wird das GXFS-DE-Projekt zudem vom deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert und steht im engen Austausch mit der Gaia-X Association for Data and Cloud (AISBL). Unterstützt wird Weiss auf diesem Blog von Thomas Sprenger, der als Autor und Texter seit zwanzig Jahren über den digitalen Wandel schreibt.

Share on