TEAM-X und Gaia-X: Sicher souverän versorgt

Im Interview mit Bruno Ristok, C&S Computer und Software GmbH

Egal, ob mit MS-DOS, dem Apple-Newton oder Gaia-X – seit 40 Jahren digitalisiert C&S Computer und Software die Gesundheitswirtschaft. Im Interview stellt Geschäftsführer Bruno Ristok jetzt seine Arbeit im Projekt TEAM-X vor. Welche Rolle die Gemeinwohlorientierung für Datenflüsse in der ambulanten Pflege spielt. Und wie Gaia-X Lösungen für die Banalität des Alltags liefert.

Herr Ristok, was macht TEAM-X?

Das Projekt realisiert ein geschütztes, vertrauenswürdiges und digitales Datenökosystem. Die Basis für das sogenannte Trusted Ecosystem of Applied Medical Data eXchange, kurz TEAM-X, legt Gaia-X. Über die verteilte und vernetzte Dateninfrastruktur sollen sich neue Geschäftsmodelle, digitale Produkte und smarte Dienstleistungen für die Versorgung realisieren lassen.

Heißt praktisch?

Beispielsweise beschäftigt sich TEAM-X mit der ambulanten Pflege. Nicht erst Corona hat uns allen bewusst gemacht, dass die Arbeitskräfte rar, aber der Bedarf riesig sind. Obendrein möchte sich jede:r im Falle des Falles lieber in den eigenen vier Wänden betreuen lassen. Für beides liefert die Digitalisierung smarte technologische Lösungen. Von Sprachassistenten über Gesundheitsapps und vernetzte Trinkbecher bis hin zu intelligenten Pflastern – Geräte wie diese helfen im Alltag, entlasten aber auch die Pflegedienste.

Was ist Ihre Rolle im Projekt?

Wir bauen als Konsortialpartner die nötige digitale Pflegeplattform auf. Eine Plattform, auf der alle Informationen am Ende zusammenlaufen. Und das nicht nur, um smarte Services für die Versorgung zu realisieren, sondern Potenziale mit allen anderen Domänen auszuloten, die auf der standardisierten und offenen Architektur von Gaia-X aufsetzen.

Was wird die Pflegeplattform ermöglichen?

Die Plattform versteht sich gewissermaßen als Middleware. Über 200 Sensoren und Geräte sind bereits angedockt. Wir integrieren die Datenströme und stellen sie in einer offenen App bereit. So nehmen wir den Geräteherstellern zum einen die Schnittstellenarbeit ab und eröffnen Pflegebedürftigen, -diensten, Angehörigen, und Ärzt:innen zum anderen neue Möglichkeiten, um Lösungen für Fragen zu finden, die sich aus der Banalität des Pflegealltags ergeben.

An welche Banalitäten denken Sie da?

Wer mit den pflegebedürftigen Eltern in der gleichen Stadt wohnt, kann sich schnell versichern, dass alles seine Ordnung hat. Anders wenn Vater und Mutter weit entfernt wohnen. Unsere Plattform kann helfen, Dienste zu realisieren, dank denen Betroffene ihren Alltag selbstbestimmt strukturieren und Angehörige aus der Ferne beispielsweise Besuche des Pflegedienstes oder Medikamenteneinnahmen im Blick behalten. Gleiches gilt für Hausärzt:innen, die erkennen können, ob sich Menschen im Alter ausreichend bewegen und richtig ernähren. Schließlich kann beides wiederum das eigene Pflegerisiko etwa mit Blick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduzieren.

Daten teilen im Gesundheitsbereich – wie aufgeschlossen sind die Stakeholder in Ihrem Projekt?

Pflegedienste und -einrichtungen vereint die Gemeinwohlorientierung. Menschen und ihre individuellen Bedürfnisse stehen auf besondere Weise im Mittelpunkt. Diese Haltung erklärt, warum die Branche schon immer nach Wegen gesucht hat, um die Versorgung zu verbessern. Daten teilen ist da keine Ausnahme.

Was bedeutet das für TEAM-X?

Digitale Geräte sind heute überall Standard, um Pflegeleistungen zu dokumentieren, abzurechnen und erlösorientiert zu planen. Und mit dem Strukturmodell für die Altenpflege existiert eine einheitliche digitale Vorlage, mittels dessen notwendige Hilfebedarfe und deren professionelle Bearbeitung gut abgebildet werden. Für uns relevante Informationen liegen also bereits gut strukturiert und so gut wie durchgängig elektronisch vor.

Und wie kann das die Arbeit der Pflegedienste erleichtern?

Wer mit dem Strukturmodell arbeitet, der muss lediglich noch dokumentieren, inwieweit Leistungen von der geplanten Routine abweichen. Bislang muss ich mich dafür an den Computer setzen, durch Eingabemasken klicken und kurze Berichte tippen. Ein zeitintensiver Vorgang, den wir via Spracheingabe verkürzen und beschleunigen wollen. Dank smarter Technologien bleibt mehr Zeit für die Pflege.

Was haben die Pflegebedürftigen davon?

Sind Daten sektorenübergreifend Gaia-X konform integriert, dann sind Szenarien denkbar, bei denen Pflegebedürftige nicht nur ihre Besuche bei Ärzt:innen via Sprachassistent planen, sondern das notwendige Verkehrsmittel vollautomatisch gleich mit buchen – egal ob rollstuhlgerechter Krankentransport, Uber oder Sammeltaxi. Mobilitätsdaten, die in Gaia-X vorliegen, machen es möglich.

Länger selbstbestimmt zuhause leben, dank smarter, digitaler Helfer – was kann dem überhaupt noch im Wege stehen?

Fragen der Finanzierung! Wer sein zuhause mit der Technologie ausrüsten möchte, der muss das aus der eigenen Tasche bezahlen können. Aktuell ist die Pflegeversicherung so gestrickt, was Chancen ausbremst. Und obendrein gibt es auch Menschen, die sich aus gutem Recht dafür entscheiden, nicht digital vernetzt zu sein. In Zukunft müssen Menschen also weiterhin für Menschen ansprechbar bleiben.

Apropos Zukunft: Ihr Unternehmen digitalisiert seit 40 Jahren die Gesundheitsbranche. Wie haben sich die Herausforderungen da verändert?

C&S Computer und Software ist seit 1983 mit IT-Lösungen in der Sozialwirtschaft unterwegs. So haben wir beispielsweise mit MS-DOS die erste Dokumentation für die Altenpflege in Deutschland aufgesetzt oder Anfang der 1990er Jahre mit dem Apple Newton – einem der allerersten Handheld-Computer – eine Lösung entwickelt, um Pflegeleistungen mobil zu erfassen. Rückblickend hat sich lediglich der Charakter der Mittel verändert. Gleich geblieben ist die zentrale Frage, wie sich die Versorgung verbessern lässt. Jetzt finden wir darauf mit TEAM-X und Gaia-X eine sichere und souveräne Antwort.

Herr Ristok, wir danken Ihnen für das Gespräch.


Von Nils Klute, IT-Fachredakteur und Projektmanager Kommunikation bei EuroCloud Deutschland

Share on