Ob Internet, soziale Netzwerke oder Cloud-Plattformen: Unsere digitale Infrastruktur läuft auf Open-Source-Software. Auch Europas neues Datenökosystem Gaia-X wird mit quelloffener Technologie entwickelt. Doch in Gesprächen begegnet uns immer wieder eine abwartende Haltung gegenüber einer Mitarbeit in Open-Source-Projekten: Was bringt uns das? Warum warten wir nicht ab, bis fertige Lösungen verfügbar sind? In diesem Post nennen wir Ihnen die 7 wichtigsten Gründe, warum Fördergeld nicht das wichtigste Motiv ist, sich zu engagieren.
1. Den digitalen Wandel der eigenen Branche mitbestimmen
Wie werden Sie in Zukunft Daten mit Partnern in Ihrer Wertschöpfungskette teilen? Wer in Ihrer Branche bestimmt dafür die Standards und Verfahren? Die Antworten wird diesmal kein einzelner Software-Hersteller oder Plattform-Betreiber geben. Sondern Ihre Wettbewerber! Sofern Sie ihnen das Feld überlassen. Denn Europas Infrastruktur für das Datenzeitalter entsteht als Gemeinschaftsprojekt.
Hunderte europäische Unternehmen sind bereits aktiv: bei der Gaia-X AISBL, dem Zentralverband der Initiative in Brüssel, in den nationalen Gaia-X Hubs oder in der Entwickler:innen-Community. Ende 2024 wollen die Förderprojekte ihre ersten Prototypen für Gaia-X-Branchenlösungen und Datenräume präsentieren. Jüngst wurden die Gaia-X Federation Services (GXFS-DE) in die Obhut der Eclipse Foundation übergeben. Damit moderiert Europas größte Open-Source-Stiftung die Arbeit am wichtigsten Software-Framework für Gaia-X. Unter dem Projektnamen XFSC kann ab sofort jeder zur Weiterentwicklung der Föderationsdienste beitragen.
Ob Großkonzern, Mittelständler oder einzelne:r Expert:in: Die Weichen für datenbasierte Geschäftsmodelle in Ihrer Branche werden jetzt gestellt. Nachzügler müssen damit rechnen, dass ihre Kosten fürs Abwarten höher ausfallen als jene fürs Handeln.
2. Sich unabhängig von Einzelanbietern machen
Bei Suchmaschinen, sozialen Netzwerken, bei Halbleiterchips, Edge Devices und nicht zuletzt bei Cloud-Infrastrukturen ist Europa abhängig von ausländischen Technologien. Das erlaubt Anbietern außerhalb Europas, die Spielregeln innerhalb der EU zu ihren Gunsten zu verändern. Zum Beispiel führt die aktuelle Marktlage dazu, dass Kund:innen großer Public Clouds oftmals nur unter hohen Kosten ihre Infrastrukturplattform wechseln können – Stichwort mangelnde Portabilität. Gaia-X wurde ins Leben gerufen, damit unser Kontinent bei der nächsten Stufe der Digitalisierung nicht schon wieder den Anschluss verliert.
Aber es geht nicht nur um Geschwindigkeit, sondern auch um die Frage: Wer besitzt die Vermarktungsrechte an Europas künftiger Dateninfrastruktur? Als Antwort darauf wird die Basistechnologie für europäische Datenräume unter Open-Source-Lizenz entwickelt. Die Kontrolle über Schlüsseltechnologien soll nicht mehr bei einigen wenigen Unternehmen liegen, sondern bei allen.
Unternehmer:innen, die sich direkt an den Open-Source-Projekten für Gaia-X beteiligen, holen sich die Souveränität über ihre strategische Infrastruktur zurück. Sie können die Technik an ihre Bedürfnisse anpassen und müssen sich nicht auf die Entscheidungen oder die Verfügbarkeit eines einzelnen Anbieters verlassen, der möglicherweise hohe Lizenzgebühren verlangt oder irgendwann die Unterstützung einstellt.
3. Rechtzeitig strategisches Wissen aufbauen
Auf neue Marktanforderungen müssen Unternehmer:innen in der Datenökonomie rasch mit digitalen Lösungen und Geschäftsmodellen antworten. Doch in der deutschen Wirtschaft fehlen die nötigen Kompetenzen. So ist nur eine Minderheit der Unternehmen derzeit in der Lage, Geschäftsanwendungen direkt für Cloud-Umgebungen, also Cloud-native, zu entwickeln. Ihr Anteil wächst seit Jahren, aber nur langsam. Ebenso in der Minderheit sind Unternehmen, die Daten mit anderen Unternehmen austauschen. Cloud-Native-Konzepte und datenbasierte Kooperation sind aber eine unverzichtbare Voraussetzung für digitale Geschäftsmodelle.
Unternehmen, die sich jetzt an der Entwicklung von Gaia-X beteiligten, bauen frühzeitig strategisches Know-how für die kommende Datenwirtschaft in der EU auf. Das gilt für IT-Provider und Softwarehäuser ebenso wie für Anwenderunternehmen, die sich entschlossener als ihre Wettbewerber mit den zentralen Technologien für datenbasierte Wertschöpfung befassen. In Open-Source-Projekten erhalten Teilnehmende Zugang zu Wissen und zu den Erfahrungen hochqualifizierter Expert:innen, die oft zu den besten ihrer Branche gehören.
4. Qualifizierte IT-Fachkräfte gewinnen
Als größte Hürde bei der Entwicklung cloud-nativer Datenanwendungen nennen Unternehmen in einer Branchenstudie von EuroCloud den Mangel an Fachkräften. Nach Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft blieben im vorigen Jahr hierzulande 67.924 Stellen im Bereich der Informationstechnik unbesetzt. Entlastung bringen auch keine qualifizierten IT-Fachkräfte von außerhalb Europas, deren Zuzug nach wie vor zu gering ausfällt. In der Konsequenz können sich die wenigen verfügbaren IT-Expert:innen ihre Jobs aussuchen.
Viele von Ihnen teilen die Leidenschaft für Open-Source-Entwicklung. Die Mitarbeit in solchen Projekten ist für talentierte Entwickler:innen ein starkes Argument, damit sie sich für Ihr Unternehmen entscheiden. Durch ein Engagement in einem so zentralen Open-Source-Projekt wie XFSC zeigt Ihr Unternehmen, dass es eine offene und innovative Kultur pflegt. So untermauern Sie Ihr Employer Branding im Wettbewerb um die wenigen IT-Expert:innen.
5. Die eigene Sichtbarkeit und Reputation im Markt stärken
Im europäischen Vergleich ist Deutschlands Ruf beim Thema Digitalkompetenz allenfalls durchwachsen, wie der jährlich erscheinende Digital Economy and Society Index (DESI) der EU-Kommission belegt. Umso wichtiger ist es für einzelne Unternehmen hierzulande, aus dem Mittelmaß herauszuragen. Das zahlt sich nicht nur bei der Suche nach talentierten und engagierten Mitarbeiter:innen aus (siehe oben), sondern überzeugt auch potenzielle Kund:innen.
Was für den Einsatz von Cloud-Infrastrukturen oder modernes Online-Marketing galt, bewährt sich auch bei der Digitalisierung Ihres Geschäfts: Wer früh dabei ist, baut über die Jahre einen Wissensvorsprung auf, der später nur schwer einzuholen ist für Wettbewerber. Indem Sie zu einem Open-Source-Projekt im Kontext Gaia-X beitragen, machen Sie Ihre Kompetenz und Ihr Engagement für die europäische Digitalinfrastruktur öffentlich sichtbar. Sie können sich als Vorreiter und Innovator in Ihrer Branche positionieren, neue Kund:innen gewinnen und strategische Partner:innen überzeugen.
6. Im Wandel Wettbewerbsvorteile aufbauen, anstatt sie nur zu verteidigen
Alle vorherigen Punkte zahlen auf dieses Ziel ein. Deshalb wollen wir an dieser Stelle noch einmal das ganze Bild zeigen: Hinter den skeptischen Fragen zu Open-Source-Projekten steckt oft die Erwartung, dass sich jedes Engagement zeitnah in zählbarer Münze rechnen muss. Am Ende gehe es in der Wirtschaft ja um Profitabilität, so das Argument. Das stimmt, und trotzdem ist es eine Ausrede.
Besonders deutsche Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten allzu sehr daran gewöhnt, Software und digitale Technologie als marktreife Produkte zu nutzen. Wir konsumierten, statt selbst zu schaffen. Die Opportunitätskosten für unsere Passivität sind die Profite andernorts, beispielsweise in den USA und in Asien.
Die Gaia-X-Projekte bieten jetzt die Chance, Einfluss auf strategische Technologien in der eigenen Branche zu nehmen. Unternehmen, die sich früh an der Open-Source-Entwicklung beteiligen, können sich von ihren Konkurrenten (auch international) abheben, indem sie Pionierwissen aufbauen und eine überlegene Dateninfrastruktur für ihr Unternehmen gestalten. So erarbeiten sie sich einen nachhaltigen Vorsprung im Markt.
7. Open-Source-Engagement lohnt sich auch für einzelne Expert:innen!
Nicht nur Unternehmen profitieren von einem Engagement für Gaia-X. Viele der oben aufgeführten Vorteile gelten auch, wenn Sie als einzelne:r Expert:in mitwirken. Hier empfiehlt sich besonders die Teilnahme am XFSC-Projekt für die Föderationsdienste unter dem Dach der Eclipse Foundation.
Dort können Sie nicht nur Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten mit anderen Expert:innen aus verschiedenen Branchen und Fachgebieten teilen und erweitern. Sie wirken an innovativen Lösungen für reale Herausforderungen mit, die die Wettbewerbsfähigkeit vieler Branchen entscheidend prägen werden. Wer sich als Expert:in in diesem Umfeld eine Reputation aufbaut, dem stehen künftig viele interessante und lukrative Projekte zur Digitalisierung der deutschen Wirtschaft offen. GitHub-Repositorys im Lebenslauf liefern einen glaubwürdigen Track-Record für Ihre Kompetenz und senden eine klare Botschaft in den Markt.
Werden Sie Teil einer Bewegung, die die digitale Zukunft Europas gestaltet! Wir freuen uns auf den Austausch und die Zusammenarbeit mit Ihnen!
Andreas Weiss & Thomas Sprenger
Jeden Monat auf LinkedIn und www.gxfs.de
Hier auf LinkedIn sowie auf www.gxfs.de führen wir Sie jeden Monat durch die Welt von Gaia-X. Unsere Analysen und Interviews präsentieren ihnen Hintergründe und Einblicke, wie eine europäische Initiative und ihre Mitstreiter ein Ökosystem für die Wertschöpfung aus Daten schaffen wollen.
Kopf dieser Artikelreihe ist Andreas Weiss. Als Leiter für digitale Geschäftsmodelle bei eco sowie als Direktor von EuroCloud Deutschland_eco ist Andreas Weiss bestens mit der Internet- und Cloud-Industrie in Europa vernetzt und vertraut. Seine Erfahrungen bringt er in die Gaia-X Federation Services (GXFS) ein, dessen Projekteams für die Entwicklung der Gaia-X-Kerntechnologien verantwortlich sind. Unter Federführung des eco wird das GXFS-DE-Projekt zudem vom deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert und steht im engen Austausch mit der Gaia-X Association for Data and Cloud (AISBL). Unterstützt wird Weiss auf diesem Blog von Thomas Sprenger, der als Autor und Texter seit zwanzig Jahren über den digitalen Wandel schreibt.