Nachbericht GXFS Connect 2022: Konferenz machte Gaia-X erlebbar

Am 7. und 8. September 2022 waren rund 500 Personen vor Ort und im Livestream dabei, als sich die führenden Köpfe hinter Gaia-X in Berlin zur GXFS Connect 2022 versammelten. Welche Innovationen und Referenzimplementierungen mit Gaia-X möglich sind und wie Innovationen und Souveränität gefördert werden, das diskutierten mehr als 40 Speaker:innen auf dem Podium in den Hallen der STATION Berlin.

„Gaia-X ist ein zentraler Baustein dafür, durch Standardisierung und Spezifizierung verschiedene Datenräume zusammenwachsen zu lassen“, sagte Ernst Stöckl-Pukall, Referatsleiter für Digitalisierung und Industrie 4.0 im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Eröffnungspanel. „Die dafür nötigen Governance-Strukturen jetzt zu schaffen ist aufwändig, doch diesen Kulturwandel müssen wir jetzt treiben.“

Fortschritte in Gaia-X sichtbar machen

Gaia-X ist der zentrale Baustein für digitale Souveränität. Ein Beispiel dafür ist Catena-X, zu dem sich Automobilhersteller und -zulieferer sowie Händler zusammengeschlossen haben, um einen standardisierten Austausch von Daten über Lieferketten hinweg zu ermöglichen. Das gemeinsame Ziel: Mehr Nachhaltigkeit und Resilienz in der Automobilbranche erreichen. Von Gaia-X profitiert letztendlich die gesamte Industrie 4.0. Die dafür nötigen Governance-Strukturen mit Gaia-X jetzt zu schaffen ist aufwändig, erfordert ein Umdenken und den festen Glauben an einen Kulturwandel, so der Tenor des ersten Panels.

Klaus Ottradovetz von Atos rückte die kleinen und mittelständischen Unternehmen ins Blickfeld: „Für KMU ist es schwieriger, komplexe Governance-Prozesse mitzumachen. Dennoch dürfen sie nicht diskriminiert werden, sondern müssen sich auch einbringen können.“ Insbesondere durch die Verbindung mit sicheren Infrastrukturen solle sich Gaia-X weiterentwickeln.

„Die Diversität Europas spiegelt sich in dezentralen Strukturen wider“, sagte Harald A. Summa, Hauptgeschäftsführer des eco – Verbands der Internetwirtschaft e. V. Er glaubt fest daran, dass Gaia-X ein Erfolgsrezept wird. „Was wir heute tun, das wird uns in einigen Jahren mit Stolz erfüllen und mit Erfolg belohnen. Die Teilhabe an der digitalen Souveränität und digitalen Wertschöpfung sollte uns allen ein Anliegen sein.“

Warum ein europäischer Ansatz wichtig ist, das erläuterte auch der eco Vorstandsvorsitzende Oliver Süme im Panel zu rechtlichen Aspekten im Gaia-X Ökosystem. „Der digitale Binnenmarkt braucht einheitliche Regelungen, dafür ist die DSGVO ein gutes Beispiel.“ Anwendungsszenarien unterschiedlicher Sektoren hätten jedoch unterschiedliche Compliance Vorgaben, was zu berücksichtigen sei. „Wenn Technik und Recht zusammenarbeiten, dann finden wir gemeinsam europäische Standards, Guidance und Leitlinien zu den wichtigsten Rechtsfragen.“

Susanne Dehmel, Mitglied der Geschäftsleitung Recht & Sicherheit beim Bitkom e.V., stimmte Süme zu: „Es gibt keine Alternative für einen Rechtsrahmen für den europäischen Markt.“ Gaia-X leiste einen Beitrag, komplexe Rechtsrahmen und komplexe digitale Geschäftsmodelle vereinfacht unter einen Hut zu bekommen und die Unternehmen und Anwender von Risiken zu befreien. Auch Felix Beckmann von Airbus stimmte zu und forderte eine gemeinsame Syntax und Architektur, um Compliance und Policy zu definieren. „Mit Gaia-X stellen wir sicher, dass wir alle das gleiche Verständnis haben.“

Gaia-X fördert nachhaltigere IT

Die Digitalisierung ist auch Teil der Lösung der aktuellen Krise an den Energiemärkten, stellten die Expert:innen des nachfolgenden Panels fest. Die Klimaziele schneller umzusetzen, sei auch Ziel von Gaia-X. „Gaia-X bietet Anwendern und Anbietern digitaler Anwendungen die einmalige Chance, digitale Infrastrukturen Hand in Hand nachhaltiger zu gestalten“, sagte Alexander Rabe,

Geschäftsführer des eco Verbands. Er forderte die Politik auf, den Schulterschluss mit Unternehmen zu suchen, um Infrastrukturen zu schaffen die es beispielsweise erlauben, die Abwärme von Rechenzentren besser nutzen zu können – etwa um Büros und Wohnräume zu heizen.

Entscheidend für Dr. Sabine Wilfling von der Scheer GmbH ist, dass durch die Auswertung von Daten mit Gaia-X Nachhaltigkeit transparenter und messbarer wird. Diese Chance müsse man jetzt nutzen.

Christoph Streit, Geschäftsführer von ScaleUp Technologies: „Nachhaltigkeit ist nicht nur Energieeinsparen. Ressourcen spielen auch eine große Rolle. Deren Verbrauch müssen die Nutzer verstehen können. Erst dann können sie die richtigen Entscheidungen treffen und Nachhaltigkeit voranbringen.“

Peter Ittenbach vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unterstrich: „Wenn wir mit Gaia-X Nachhaltigkeit fördern wollen, dann müssen wir alle mitnehmen, nicht nur die Industrie und Wissenschaft, wir brauchen die komplette Breite der Gesellschaft inklusive KMU.“

Auch Ulrike Hinrichs, Co-Vorsitzende des Beirats „Junge Digitale Wirtschaft“ des BMWK will dafür die Rahmenbedingungen verbessern: „Die Transformationsprozesse, die bei Energie und Nachhaltigkeit möglich sind, müssen finanziert werden. Wir brauchen mehr Kraft und Potenzial. Deutschland ist sehr zurückhaltend. Wir müssen über Zahlen reden.“

Innovationspotenzial für die europäische Industrie

Warum brauchen wir überhaupt Gaia-X? Um diese Frage zu beantworten, regte Roland Fadrany, Chief Operating Officer der Gaia-X AISBL mit Sitz in Brüssel an, Leuchtturm-Projekte stärker zu unterstützen. „Es geht um Business-Cases und nicht um Technologie-theoretische Fragen. Die Projekte werden nach und nach kommen.“

„Auch KMU können sehr gut Hightech“, gab Luise Kranich, Referatsleiterin im Bundesinnenministerium zu bedenken und forderte Anreizmodelle, um Daten zu teilen. Wenn die Industrie regionale Silos aufbricht und stärker mit diversen Akteuren kooperiert, soll diese den Public Sektor mitdenken.

Daten sind Rohstoffe, auf deren Grundlage Gaia-X Innovationspotenziale heben wird, waren sich die Diskutierenden einig. „Daten entfalten ihren Wert erst durch Kontextualisierung. Gaia-X ermöglicht das über entsprechende Standards, damit Innovationspotenziale entstehen“, ergänzte Peter Kraemer, Leiter des Gaia-X Hub Deutschland. Die Koordinierung der Anwender-Ökosysteme und wissenschaftliche Begleitung zu Gaia-X seien wichtige Aufgaben.

Gaia-X ist, was wir draus machen

In einer sich anschließenden Pitch-Session zum Ende des Veranstaltungstages vermittelten verschiedene Initiativen, was Gaia-X konkret erreichen möchte. Jutta J. Meier von Identity Valley stellte die Digital Responsibility Goals vor, welche sich mit ethischen Fragen der Digitalisierung beschäftigen. „Wir fordern und fördern digitale Verantwortung für eine wertebasierte Zukunft der digitalen Welt.“ Markus Weber und Kai Meinke präsentierten das Gaia-X Forschungs- und Leuchtturmprojekt EuProGigant (Europäisches Produktionsgiganet) das zeigt, wie eine hoch vernetzte Produktion mit sich selbst organisierenden und stabilisierenden Eigenschaften ausgestattet werden kann.

„Wir setzen uns für eine auf Vertrauen, Privatheit und persönlicher Identität basierende Datenwirtschaft ein“, sagten Manuela Urban und Eduard Itrich von der OSB Alliance. Sie sprachen über den vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Sovereign Cloud Stack als offene Technologie für eine föderierbare, souveräne Cloud-Infrastruktur.

An den ersten Konferenztag schloss sich ein Networking-Abendevent an, bei dem Konferenzgäste, mit Fingerfood und Getränken gestärkt, in den Austausch miteinander treten konnten. In diesem

Rahmen startete die Gaia-X Roadshow powered by eco mit einem Diskussionspanel. Harald A. Summa, Stephan Ilaender (Plusserver), Moderatorin Claudia van Veen, Roland Fadrany (AISBL), Bernhard Fohringer (Atos) und Emma Wehrwein (eco) sprachen über digitale Autonomie mit Gaia-X, kollaborative Datenräume und Herausforderungen auf dem Weg dorthin.

Tag 2 mit hochkarätigen Gästen und technischen Deep-Dives

Hochrangiger Besuch aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) begrüßte die Teilnehmenden am zweiten Tag. Die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Franziska Brantner sagte in ihrer Keynote am Morgen: „Fehlende Digitalisierung ist schmerzhaft, das merken wir auch jetzt in der Krise am Energiemarkt. Mit Gaia-X wollen wir die digitale Zukunft Europas gemeinsam gestalten.“ Auch in der Krise solle man an die Zukunft denken, Unternehmen sollen ihre Daten selbstbestimmt nutzen und teilen können. Deutschland müsse insgesamt digital besser werden.

Im anschließenden Impulsvortrag betonte Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des BDI, die Bedeutung digitaler Souveränität für die deutsche Industrie. „Der proof of concept ist erfolgt“, sagte sie und forderte auf, Gaia-X jetzt in die Breite zu bringen. Damit Deutschland ein Wirtschaftsstandort mit Zukunft bleibe, müsse schon heute Technologie gefördert werden wie Cloud, Künstliche Intelligenz, Blockchain und Quanten-Computing.

„Datenräume sind ungehobene Datenschätze“, unterstrich Stephan Ilaender, Chief Technology Officer von PlusServer im folgenden Panel, das einige der Hauptakteure hinter Gaia-X versammelte. „Jetzt ist die Zeit, Gaia-X aus der Theorie in die Praxis zu bringen“, sagte Andreas Weiss, Geschäftsbereichsleiter Digitale Geschäftsmodelle im eco Verband. „Wir brauchen in Europa einen föderalen Ansatz, um Souveränität und Innovation zu fördern. Gaia-X leistet das, auch wenn es für Viele etwas abstrakt ist, denn es schafft die Grundlagen für neue digitale Geschäftsmodelle und resilientere IT-Infrastrukturen.“

Die GXFS Werkzeugkiste hilft dabei, Anwendungen und Dienste zu entwickeln

Rebekka Weiß, Leiterin Vertrauen und Sicherheit (Bitkom), will technisches und rechtliches Verständnis in den Gaia-X Arbeitsgruppen zusammenbringen. „Wir entwickeln ein gemeinsames Verständnis von Datenräumen und Datenaustausch.“ Eine wichtige Aufgabe sei hier die Entwicklung digitaler Identitäten für zukünftige Anwendungen. „Identitäten sind zentrale Bausteine in Gaia-X.“ Am Nachmittag des zweiten Tags folgten technische Deep-Dives. So stellten Experten die GXFS Werkzeugkiste, den Kickstarter für Gaia-X Ökosysteme, vor. Die beinhaltet Open-Source-Software, die jeder Föderation den operativen Betrieb und somit den Start in die Gaia-X-Welt ermöglichen soll. So zeigte Dr. Christian Weiss, GXFS Experte „Portal & Integration“, eine einfache Lösung, das eigene Portfolio innerhalb einer Föderation in einer übersichtlichen Oberfläche zu ändern. Berthold Maier und Steffen Schulze, GXFS Experten „Identität & Vertrauen“ und Sebastian Steinbuß, GXFS Experte „Souveräner Datenaustausch“, gaben vertiefende Einblicke in die Sicherheitsmechanismen, etwa zur Validierung der Selbstbeschreibungen mit Self Sovereign Identity (SSI). Thomas Niessen GXFS Experte „Regelkonformität“ unterstrich: „Föderationen interagieren und können sicher sein, dass alle Grundanforderungen erfüllt sind. Dennoch können alle Föderationen spezielle Compliance-Anforderungen hinzufügen. Das findet sich in der Werkzeugkiste.“

Die GXFS schaffen Vertrauen in Datenökosysteme

Nach der Pause am Nachmittag stellte Prof. Dr. Jens Böcker, Wissenschaftlicher Beirat von Böcker Ziemen Consulting, die GXFS Studie „Strategien zum Aufbau von Gaia-X Ökosystemen mithilfe der

Gaia-X Föderationsdienste – Im Dialog mit den Gaia-X Förderprojekten“ vor. Die Studie bildet den Stand der Planung der Förderprojekten ab und erörtert Implementierungsstrategien. „Die GXFS schaffen die Basis und das notwendige Vertrauen in Datenökosysteme mit dem Ziel, Plattformen und

Datenräume zum Erfolg zu führen“, sagte Prof. Böcker. Wichtig sei dazu die enge Zusammenarbeit von technologischen und Geschäftsfunktionen. Beispiele dafür lieferten anschließend die Förderprojekte, die die Vision vereinte, mit Gaia-X als Enabler betriebswirtschaftliche und gesellschaftlich relevante Probleme zu lösen. Unter anderem mit Beispielen aus Automotive und Healthcare zeigten das Dr. Jan Henrik Schönke (LMIS AG, Förderprojekt: Autowerkstatt 4.0), Dr. Shalini Sahoo (Bechtle, Förderprojekt: Possible), Gino Barnard (Univention, Förderprojekt: Possible) und Harald Wagener (Berliner Charité, Förderprojekt: Health-X/dataLOFT).

Über ein Kernelement der Gaia-X Ökosysteme, die sogenannten Selbstbeschreibungen für Unternehmen und Services, sprachen anschließend Thomas Niessen, Sebastian Steinbuß und Dr. Anja Strunk. Sie erläuterten die Aufnahme in Gaia-X Föderationen anhand dieser digitalen Visitenkarten und die Verwaltung in Katalogdiensten. Welche Anforderungen zukünftig an Gaia-X und die GXFS gestellt werden sollen, darüber sprachen Vertreter:innen der Domänen des Gaia-X Hub Deutschland während des Abschlusspanels der GXFS Connect 2022. Prof. Dr. Frank Köster (DLR), Prof. Dr. Steffen Warmbold (Verband Beratender Ingenieure), Matthias Brucke (embeteco) und Tina Siegfried (Dataport) hatten Use-Cases analysiert und bewertet, um die Anforderungen an Gaia-X zu konsolidieren. Hier stand besonders die Anwenderperspektive und die Erfahrungen aus den aktuell elf Arbeitsdomänen des Gaia-X Hub Deutschland im Fokus. Nach zwei Tagen gefüllt mit Erfahrungsaustausch, Wissensvermittlung und Networking verließen die Teilnehmer:innen die GXFS Connect 2022 in der STATION Berlin. Sie alle nahmen ein tieferes Verständnis der verschiedensten Projekte mit und wie nahe alle gemeinsam schon dem Ziel gekommen sind, die Potenziale und Versprechen von Gaia-X wahrwerden zu lassen.


Weitere Informationen, freigegebene Folien der Referent:innen sowie Links zu Fotogallerie, GitLab und Videoaufzeichnung der Veranstaltung finden Sie hier.

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