Warum die Mobilität der Zukunft ein souveränes Identitätsmanagement braucht

Im Interview mit Kai Meinke, Co-Founder und Business Lead bei deltaDAO e.V.

Die Kompetenzgruppe Mobility trifft sich am 26. April in Wolfsburg unter dem Motto „Urban Mobility Zusammenspiel von IoT und Mobility zur Umsetzung von Mobilitätslösungen“. Wir haben im Vorfeld mit Kai Meinke, Co-Founder und Business Lead bei deltaDAO über die Bedeutung und Etablierung eines souveränen Identitätsmanagement und Self-Sovereign Identity (SSI) für die Mobilität der Zukunft, aktuelle Entwicklungen und Use Cases im Projekt Gaia-X 4 Future Mobility moveID sowie seinen Impulsvortrag zum Thema „move ID – Möglichkeiten einer transparenteren, sichereren und dezentralisierten Datenwirtschaft“ gesprochen.

Hauptziel des auf drei Jahre angelegten Gaia-X Projekts moveID ist der Aufbau dezentraler digitaler Fahrzeugidentitäten. Warum braucht die Mobilität der Zukunft ein souveränes Identitätsmanagement?

Ein souveränes Identitätsmanagement und Self-Sovereign Identity (SSI) sind wichtig, um die Privatsphäre und die Kontrolle über persönliche Daten zu gewährleisten, während gleichzeitig die Sicherheit und die Integrität von Identitätsinformationen gewährleistet werden. Im Kontext von Mobilität und vernetzten Fahrzeugen wird das Thema Identität und Privatsphäre noch wichtiger, da eine Vielzahl von sensiblen Daten über Fahrzeugführende und Mitfahrende und die Fahrzeuge erfasst und genutzt werden können. Mit SSI kann jeder Einzelne die Kontrolle über seine Identitätsinformationen übernehmen und diese sicher und vertraulich speichern, verwalten und teilen. Dies ist besonders wichtig im Kontext von Mobilität und vernetzten Fahrzeugen, da eine Vielzahl von Identitätsinformationen möglicherweise von Dritten abgefragt werden, beispielsweise bei der Nutzung von Ticketsystemen, Ladesäulen, Parkangeboten, Carsharing- oder Mietfahrzeugdiensten.

Eine weitere wichtige Anwendung von SSI im Kontext von Mobilität und vernetzten Fahrzeugen ist die Authentifizierung und Autorisierung von Nutzenden, aber auch von Fahrzeugen und Infrastruktur. Mit einer sicheren Identitätsverwaltung können Nutzende und Dienstanbietende sicherstellen, dass sie nur Zugriff auf die Funktionen und Daten haben, die sie benötigen, und dass ihre Identitäten und ihre Daten nicht missbraucht werden. Darüber hinaus kann SSI auch dazu beitragen, Betrug und Diebstahl zu verhindern, indem die Identität von Personen und Fahrzeugen sicher überprüft wird. Dies ist insbesondere im Kontext von autonomen Fahrzeugen wichtig, bei denen die Identität von Fahrzeugen und Insassen überprüft werden muss, um sicherzustellen, dass nur autorisierte Personen das Fahrzeug betreten und nutzen können.

Insgesamt ist SSI und ein souveränes Identitätsmanagement von entscheidender Bedeutung für die Sicherheit und den Datenschutz im Kontext von Mobilität. Indem die Kontrolle über persönliche Daten in die Hände der Nutzenden gelegt wird, kann das Vertrauen in die Technologie gestärkt und eine sichere und vertrauenswürdige Mobilität ermöglicht werden.

Die Kompetenzgruppe Mobility trifft sich am 26. April unter dem Motto „Urban Mobility: Zusammenspiel von IoT und Mobility zur Umsetzung von Mobilitätslösungen“ in Wolfsburg. Sie sind als Referent zum Thema“ move ID – Möglichkeiten einer transparenteren, sichereren und dezentralisierten Datenwirtschaft“ dabei. Was dürfen Teilnehmer:innen von Ihrem Impuls erwarten?

Ich bringe unsere Eindrücke aus der Gaia-X Domäne Mobilität und der Leuchtturm-Projektfamilie Gaia-X 4 Future Mobility mit. Dabei werde ich deutlich machen, dass es bereits heute eine Vielzahl von Integrationsmöglichkeiten smarter Infrastrukturen und IoT-Devices gibt die, neben einem souveränen Identitätsmanagement, neue Möglichkeiten zur Vernetzung und technischer Datensouveränität und Monetarisierung von IoT-Diensten und Daten ermöglichen. All dies ist keine entfernte Zukunftsmusik mehr, sondern sehr real und bereits heute implementier- und erlebbar. Dabei verwenden wir den aktuellen Stand der Technologie um föderierte, transparente und resiliente Infrastrukturen zu schaffen. Hierzu gehören insbesondere Blockchains, Smart Contracts und dezentrale Applikationen und Zahlungsanwendungen. Diese ermöglichen es Anbietenden und Nutzenden in Zukunft direkt miteinander in Beziehung zu treten, ohne dabei von zentralen Intermediären abhängig zu sein und gleichzeitig Geschäfte mit höherer Sicherheit und zu geringeren Kosten abzuwickeln.

Wo steht die Entwicklung von moveID aktuell? Und welchen Beitrag leisten Sie mit deltaDAO?

Gaia-X 4 Future Mobility moveID bietet bereits heute eine Vielzahl von technisch souveränen Datendiensten im Rahmen des Gaia-X Frameworks an, die live und anhand verschiedener Demonstratoren verprobt werden können. Dazu gehört unser moveID Gaia-X Portal und erste Daten- und KI-Dienste, wie z.B. unser Vehicle Collection Use Case, welcher die Analyse von Fahrzeugdaten erlaubt, ohne dabei sensible Daten zu kopieren oder unnötigen Compliance-Risiken auszusetzen. Das grundlegende Prinzip zur datenschutzkonformen und IP-schützenden Nutzung von Daten, welches wir hier einsetzen, nennt sich Compute-to-Data, oder im Fall von mobilen Edge-Devices Compute-to-Edge. Hierbei wird die Analysesoftware, welche zur Erstellung eines nutzbringenden Datenproduktes benötigt wird, direkt in eine vom Datenanbietenden bestimmte Umgebung eingebracht, um hier mit den Daten zu arbeiten. Nur aggregierte, anonymisierte und freigegebene Ergebnisse werden ausgeliefert, um die Datenhoheit technisch zu gewährleisten. Dabei können sowohl der Zugriff auf die Daten als auch die Software und die genutzte Infrastruktur, direkt in Euro anhand transparenter Nutzungsbedingungen monetarisiert und bezahlt werden, was für die wirtschaftliche Nachhaltigkeit von großer Bedeutung ist.

„Live“ erleben lässt sich das bereits anhand unseres „Gaia-X-connected Fahrzeugs“ auf verschiedenen Veranstaltungen, Mobilitäts-Domänentreffen, auf der Hannover Messe oder in diesem Video mit dem DLR Institut für KI-Sicherheit. Gleichzeitig setzen wir in unserem Datenraum bereits förderierte Analysen unter Nutzung von Compute-to-Data  um und ermöglichen föderiertes Lernen für die Erstellung optimierter Mobilitätsangebote.

Demnächst folgen die weiteren Implementierungen zu den Themen Zoning, Smart Parking, Charging in Vernetzung mit smarter Infrastruktur und Echtzeitabrechnungen und Zahlungen, gerade mit Hinblick auf die IAA darf also einiges erwartet werden. Darüber hinaus sind wir stolz, dass bereits andere Projekte der Projektfamilie auf die gemeinsame Infrastruktur aufsetzen und das Ökosystem auch international skaliert. So sind viele Dienste bereits auch auf dem Future Mobility Data Marketplace des Gaia-X Hubs Netherlands verfügbar und auch Gaia-X 4 Future Mobility PLC-AAD demonstriert bereits Modelle und Simulation für autonomes Fahren auf der gemeinsamen Infrastruktur.

Ebenso wichtig und Herzstück von moveID ist, neben dem selbstbestimmten Umgang mit Mobilitätsdaten, der selbstbestimmte Umgang mit Identitäten. Die Implementation von interoperablen SSI-Lösungen, insbesondere verpflichtend im Rahmen des Gaia-X Trust Framework, gehört zu den Schwerpunkten der Arbeit in moveID und ist die Basis für jegliches Vertrauen, kommerzielle Transaktionen, Zahlungen und die erfolgreiche Nachnutzung der Forschungsergebnisse. Hier geht es um die Identitäten von Institutionen, Unternehmen, Infrastruktur und Fahrzeugen, V2X Kommunikation und am Ende auch um die Anbindung von Endnutzenden

Wir gehören zu den ersten Anbietern und Gaia-X Leuchtturmprojekten, denen die Anbindung und Demonstration Gaia-X konformer und vertrauenswürdiger Identitäts- und Dienstbeschreibungen gelungen ist und mit der tieferen Integration verschiedener SSI-Lösungen werden wir diesen Pfad weiter beschreiben. Einen groben Überblick darüber, wie wir uns den notwendigen Komponenten und der Vielfalt technologischer Möglichkeiten für die Implementierung näher liefert z. B. unser „Component Landscape“, die wir auch für andere zur Nachnutzung und Mitarbeit veröffentlicht haben.

Sie ermöglicht es uns für jeden Anwendungsfall die richtigen Komponenten auszuwählen, zu evaluieren und zu verproben und das Risiko zu mindern ggf. auf „das falsche Pferd“ zu setzen.

Eine besonders wichtige Komponente, neben den oben genannten, für die sich die deltaDAO verantwortlich zeichnet und mit den anderen Mitgliedern der Projektfamilie und europäischen Partnern ökologisch nachhaltig betreibt in das sog. Pontus-X Web3 Ökosystem für Gaia-X und das darunterliegende pan-europäischen GEN-X Blockchain-Netzwerk. Es ermöglicht als Sandbox die dezentrale Ausführung der sogenannten „Föderationsdienste“ auf Basis von Ocean Protocol und stellt so Katalogdienste, Vertragsdienste, Echtzeitzahlungsdienste, Portale und Logging-Dienste bereit, auf die sich alle Akteure im Ökosystem verlassen. Die Besonderheit ist dabei, dass kein zentraler Akteur, auch nicht die deltaDAO, dieses System betreibt und kontrolliert, sondern dass es demokratischer Kontrolle aller Föderatoren unterliegt, darunter europäische Cloud-Service Provider, Technologieanbietende, öffentliche Institutionen und Forschungsinstitutionen aus ganz Europa. Auf diesen hohen Grad an Offenheit, Resilienz und Skalierbarkeit sind wir besonders stolz. Open for everyone, but owned by no one, ganz im Sinne von Gaia-X.

Welche Vorteile bringt moveID Mobilitätsakteuren und Diensten und andererseits Verbraucher:innen, die die beste Lösung für ihre Mobilitätsbedürfnisse suchen bspw. von A nach B zu kommen?

Die wichtigsten Vorteile ergeben sich für Nutzende durch die Zurückgewinnung der Kontrolle über die von Ihnen erzeugten, teilweise vertraulichen und meist wertvollen Daten. Des Weiteren erwarten wir das Nutzende von einem besseren Leistungsangebot und mehr Wettbewerb im Mobilitätsökosystem profitieren. Bisher sind viele Mobilitätsprodukte an zentralisierte Plattformen und ihre Anbieter gebunden und wenig interoperabel, es werden „entweder oder“ Entscheidungen getroffen oder ggf. doppelt gezahlt. In Zukunft erwarten wir eine deutliche nahtlosere Mobilitätserfahrung über verschiedene Verkehrsmittel und Infrastruktur-Anbietende, optimierte Routenfindung und Reservierungen von Ladesäulen, Parkplätzen und Verkehrsmitteln beim Umstieg, Echtzeit-Zahlungen und sogar die Möglichkeit für die eigenen Mobilitätsdaten belohnt zu werden, denn sie stellen die Basis für jede Produkt- und Angebotsverbesserung dar. Bisher schöpfen wir diese Möglichkeiten bei Weitem nicht aus. Die Zukunft ist aber weitaus offener, effizienter und bringt bessere Dienste wie Smartes Parken & Laden, schnellere Reparaturen, CO2-Einsparungen und Risikominimierung bei effizienter Wegfindung, und die Möglichkeit eigene Daten wirtschaftlich nachhaltig und bei gleichzeitiger voller Kontrolle zu nutzen.

Vielen Dank für das Interview, Herr Meinke.


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